Es war ein­mal ein Team, das ein Haus bau­en soll­te. Jeder brach­te Werk­zeu­ge mit, eini­ge hat­ten Plä­ne, ande­re gute Rat­schlä­ge. Man rede­te viel – über die Sta­tik, über die Far­be der Fas­sa­de, über das Wet­ter. Tage ver­gin­gen. Wochen. Doch das Haus wuchs nicht. Als der Win­ter kam, stan­den sie da, frie­rend im Wind, und sag­ten: „Wir waren doch alle dabei.“

Die­ses Haus steht sinn­bild­lich für vie­le Orga­ni­sa­tio­nen.

Es gibt Betei­li­gung. Es gibt Mee­tings. Es gibt Gre­mi­en. Aber was fehlt, ist jemand, der sagt: „Ich über­neh­me.“

In der Psy­cho­lo­gie nennt man das den Bystan­der-Effekt. Er ist kein kurio­ses Rand­phä­no­men, son­dern All­tag in Unter­neh­men. Er zeigt sich nicht nur in dra­ma­ti­schen Not­si­tua­tio­nen, son­dern auch in ganz bana­len Momen­ten:

Wer gibt Feed­back?
Wer trifft die Ent­schei­dung?
Wer steht dafür gera­de, wenn es nicht läuft?

Je mehr Men­schen im Raum, des­to dif­fu­ser die Ver­ant­wor­tung. Es ist kein böser Wil­le – es ist ein Reflex. Ein sozi­al erlern­tes Spar­pro­gramm: Ver­ant­wor­tung ver­mei­den heißt, Kon­flik­te ver­mei­den. Hal­tung kos­tet Kraft, also dele­gie­ren wir sie ins Kol­lek­tiv. Das fühlt sich siche­rer an. Demo­kra­ti­scher. Mensch­li­cher.

Aber es ist eine Illu­si­on.

„Dafür bin ich nicht zustän­dig.“
„Das muss das Gre­mi­um ent­schei­den.“
„Da soll­ten wir alle mal drü­ber spre­chen.“

Was wie Koope­ra­ti­on klingt, ist oft Ver­mei­dung in höf­li­cher Ver­pa­ckung.

Dabei geht es nicht um auto­ri­tä­res Durch­grei­fen. Es geht um Klar­heit. Um den Mut, zu sagen: „Das hier ist mei­ne Ent­schei­dung. Dafür ste­he ich ein.“ Nicht im Nach­hin­ein. Son­dern mit­ten im Nebel der Unklar­heit. Dann, wenn Ver­ant­wor­tung nicht bequem, son­dern not­wen­dig ist.

Füh­rung beginnt nicht mit Zustim­mung.

Sie beginnt mit der Bereit­schaft, allein zu ste­hen – nicht als Held, son­dern als Mensch, der nicht war­tet, bis Kon­sens ent­steht.

Ori­gi­na­le über­neh­men Ver­ant­wor­tung, bevor ande­re sie über­haupt sehen.
War­um fürch­test du dich davor, ver­ant­wort­lich zu sein?

Die Ant­wort ist unbe­quem: Weil wir gelernt haben, dass es ange­neh­mer ist, Teil einer Grup­pe zu sein, als zur Pro­jek­ti­ons­flä­che zu wer­den. Wer führt, expo­niert sich. Und das Sys­tem – oft freund­lich, höf­lich, effi­zi­ent – schützt uns genau davor.

Doch es gibt einen Preis für die­se Absi­che­rung.

Ent­schei­dun­gen ver­duns­ten.
Zie­le ver­schwim­men.
Ver­ant­wor­tung stirbt an gut gemein­ter Betei­li­gung.

Füh­rung ist kein Grup­pen­pro­jekt.

Ver­ant­wor­tung ist kein Kon­sens­pro­dukt.

Sie beginnt mit einem inne­ren Satz: „Ich bin bereit, dafür zu ste­hen.“

Nicht laut. Nicht dra­ma­tisch. Aber klar.

Denn am Ende erin­nert man sich nicht dar­an, wer im Raum saß – son­dern dar­an, wer auf­stand.