Eine Betrach­tung im Licht von Jim Coll­ins‘ Good to Gre­at

In einer Zeit, in der Kri­sen sich über­schla­gen, scheint der Ruf nach star­ken, auto­ri­tä­ren Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten lau­ter denn je. Das Han­dels­blatt titelt: „Auto­ri­tä­re Chefs sind wie­der gefragt“. Sta­bi­li­tät, Klar­heit, Durch­griff – das klingt ver­lo­ckend. Doch was sagen For­schung, empi­ri­sche Unter­neh­mens­ana­ly­sen und moder­ne Orga­ni­sa­ti­ons­psy­cho­lo­gie dazu?

Jim Coll­ins, Autor des Best­sel­lers Good to Gre­at, wür­de die Stirn run­zeln.

Level-5-Lea­der­ship: Der stil­le Star statt auto­ri­tä­rer Hero­is­mus

Coll­ins iden­ti­fi­zier­te in sei­ner groß­an­ge­leg­ten Lang­zeit­stu­die kei­ne lau­ten Alpha­tie­re an der Spit­ze der erfolg­reichs­ten Unter­neh­men, son­dern soge­nann­te Level-5-Lea­ders: Sie kom­bi­nie­ren demü­ti­ge Zurück­hal­tung mit uner­schüt­ter­li­chem Wil­len, das Unter­neh­men nach­hal­tig vor­an­zu­brin­gen. Kei­ne Ego­ma­nen. Kei­ne Micro­ma­na­ger. Son­dern Per­sön­lich­kei­ten, die das Team und die Mis­si­on über das eige­ne Ego stel­len.

Ein auto­ri­tä­rer Chef passt in die­ses Bild wie ein Pin­gu­in in die Wüs­te.

Auto­ri­tät ≠ Auto­ri­tär

Wir ver­wech­seln häu­fig Auto­ri­tät mit Auto­ri­tär­sein. Auto­ri­tät ent­steht durch Kom­pe­tenz, Inte­gri­tät und Ver­trau­en. Nicht durch Kon­trol­le, Angst oder Macht­ge­ha­be. Mit­ar­bei­ten­de fol­gen ger­ne – wenn sie jeman­den respek­tie­ren. Nicht, wenn sie gezwun­gen wer­den.

Dis­zi­pli­nier­te Kul­tur statt dis­zi­pli­nie­ren­der Chef

Coll­ins spricht vom Auf­bau einer Kul­tur der Dis­zi­plin. Dis­zi­pli­nier­te Men­schen, die inner­halb eines kla­ren Rah­mens eigen­ver­ant­wort­lich han­deln – nicht, weil jemand über ihnen steht, son­dern weil sie von innen her­aus moti­viert sind. Auto­ri­tä­re Füh­rungs­kräf­te mögen kurz­fris­tig Klar­heit schaf­fen, lang­fris­tig aber hem­men sie Inno­va­ti­on, Initia­ti­ve und Ver­trau­en.

Stock­da­le-Para­do­xon: Rea­li­tät sehen – und Hoff­nung geben

Gera­de in Kri­sen ist Füh­rung gefragt, die das Stock­da­le-Para­dox ver­kör­pert: Die Rea­li­tät bru­tal ehr­lich aner­ken­nen – und den­noch nie den Glau­ben an die lang­fris­ti­ge Visi­on ver­lie­ren. Auto­ri­tä­re Füh­rung kann zwar den ers­ten Teil erfül­len. Doch ohne emo­tio­na­le Intel­li­genz, ohne Empa­thie, bleibt die Hoff­nung auf der Stre­cke.

Die fal­sche Ant­wort auf eine ech­te Fra­ge

Dass vie­le sich nach star­ker Füh­rung seh­nen, ist ver­ständ­lich. Aber auto­ri­tä­rer Füh­rungs­stil ist eine ver­meint­lich ein­fa­che Ant­wort auf kom­ple­xe Her­aus­for­de­run­gen. Es ist wie ein Schmerz­mit­tel: kurz­fris­tig lin­dernd, lang­fris­tig pro­ble­ma­tisch.

Statt auto­ri­tä­re Chefs zu fei­ern, soll­ten wir uns eher fra­gen:
Wie schaf­fen wir Struk­tu­ren, die Ori­en­tie­rung geben – ohne Men­schen zu ent­mün­di­gen?

Wie för­dern wir Ver­trau­en, Mut und Enga­ge­ment – statt Kon­trol­le, Angst und Anpas­sung?

Und wie stär­ken wir Füh­rungs­kräf­te, die sich selbst nicht ins Zen­trum stel­len – son­dern ihr Team und die Mis­si­on?

Fazit

Auto­ri­tä­re Füh­rung mag „wie­der gefragt“ sein – aber nicht von den Unter­neh­men, die lang­fris­tig groß­ar­tig wer­den wol­len. Und sicher nicht von den Men­schen, die mit Herz, Kopf und Sinn arbei­ten wol­len.

Viel­leicht ist es an der Zeit, nicht lau­ter, son­dern wei­ser zu füh­ren.