Mein Besuch bei Dr. Kaiser und dem doppelten Vertriebsleiter
Ich kam an einem Mittwochmorgen bei der Irrenanstalt GmbH in Marburg an. Dr. Julius Kaiser, Geschäftsführer mit ausgeprägtem Improvisationstalent, begrüßte mich mit dem typischen Enthusiasmus eines Mannes, der gerade wieder etwas „ausprobiert“ hatte.
„Herr Dr. Klartext“, sagte er, „wir haben jetzt zwei Vertriebsleiter. Schmitz und Huber.“
Ich runzelte die Stirn. Zwei Vertriebsleiter?
„Genau. Schmitz ist für Strategie zuständig, Huber für die Umsetzung. So war zumindest die Idee. In der Praxis… nun ja…“
Ich spürte schon, was kommen würde.
Zwei Chefs, null Klarheit
In der Teamsitzung zeigte sich das ganze Ausmaß. Mitarbeiter blickten hilfesuchend von einem zum anderen. Schmitz sprach von Märkten, Huber von Prozessen. Und keiner wusste, wer nun wofür wirklich zuständig war. Zwischen den beiden entwickelte sich eine höfliche Rivalität – auf dem Rücken derer, die irgendetwas erledigen sollten.
Ich sprach mit der Personalreferentin. Sie sah mich erschöpft an. „Herr Dr. Klartext, die Leute wissen nicht mehr, was sie dürfen. Jeder kriegt eine andere Antwort. Einige machen lieber gar nichts mehr, damit sie nichts falsch machen.“
Willkommen in der Führungsversion von „Stille Post“.
Klartext unter vier Augen
Am Ende der Woche saß ich mit Dr. Kaiser im Besprechungsraum.
„Herr Dr. Kaiser“, sagte ich, „Sie haben zwei Kapitäne auf einem Schiff ohne Kompass. Und wundern sich, dass die Mannschaft seekrank ist.“
Er lachte gequält. „Ich wollte modern sein. Verantwortung teilen.“
„Sie haben Verantwortung verteilt, ohne sie zu definieren. Das ist wie Fußball ohne Tor – viel Bewegung, aber kein Ergebnis.“
Meine 5 Empfehlungen für Führungskräfte, die wissen wollen, wer was tun soll:
- Verantwortung braucht Klartext.
Wer entscheidet was? Wer trägt die Folgen? Ohne klare Ansage wird Führung zur Lotterie. - Rollen im Dialog klären.
Rollenverteilung funktioniert nicht im stillen Kämmerlein. Reden Sie mit den Menschen, die sie ausfüllen sollen. - Regelmäßig abgleichen.
Rollen sind kein Beton. Sie müssen überprüft und angepasst werden – sonst laufen Sie mit Landkarte von gestern durch das Gelände von heute. - Kommunikation schlägt Intuition.
Ihre Leute können nicht in Ihren Kopf schauen. Sagen Sie, was gilt – und was nicht. - Kompetenz ersetzt keine Klarheit.
Auch brillante Köpfe brauchen Orientierung. Sonst rennen sie gegeneinander statt miteinander.
Was daraus wurde?
Drei Wochen später war das Experiment beendet. Huber ging zurück ins Projektgeschäft, Schmitz übernahm den Vertrieb. Und Dr. Kaiser? Der denkt jetzt bei jeder Personalentscheidung erst an den Satz, den ich ihm am Ende noch mitgab:
„Führung beginnt mit Klarheit – nicht mit Strukturcharts.“
Klartext-Merksatz
Zwei Chefs führen nirgendwohin. Einer führt, der andere verwirrt.
Dr. Johannes B. Klartext
Mittelstandsberatung aus Marburg-Biedenkopf.
Mit Herz. Mit Verstand. Mit Klartext.