Es war ein­mal ein Wan­de­rer, der sich in den Ber­gen ver­lau­fen hat­te. Nach Tagen der Erschöp­fung ent­deck­te er eine Höh­le, die ihm Schutz vor dem nahen­den Sturm bot.

In der Dun­kel­heit der Höh­le, allein mit sei­nen Gedan­ken, begann er zu erken­nen, wie sehr er sich in sei­nem Leben ver­irrt hat­te. All die Mas­ken, die er trug. Die Bezie­hun­gen, die nur noch aus Gewohn­heit bestan­den. Die Träu­me, die er bei­sei­te gescho­ben hat­te, um ande­ren zu gefal­len.

Drei Tage und Näch­te ver­brach­te er in die­ser Höh­le. Am ers­ten Tag über­kam ihn Ver­zweif­lung über all das, was er ver­lo­ren hat­te. Am zwei­ten Tag herrsch­te Stil­le – eine Stil­le so tief, dass er sein eige­nes Herz schla­gen hören konn­te.

Als er am drit­ten Mor­gen erwach­te, fiel ein schma­ler Licht­strahl durch einen Spalt in der Höh­len­de­cke. Er folg­te dem Licht und ent­deck­te einen ver­bor­ge­nen Auf­stieg, den er zuvor über­se­hen hat­te.

Mit jedem Schritt nach oben ließ er etwas zurück: sei­ne Angst vor Ableh­nung, sei­nen selbst auf­er­leg­ten Druck, die Rol­len, die ande­re für ihn geschrie­ben hat­ten.

Als er schließ­lich ins Freie trat, war er nicht mehr der­sel­be Mann, der in die Höh­le geflüch­tet war. Die Land­schaft um ihn her­um war unver­än­dert – die Ber­ge, die Täler, der Him­mel. Doch er sah sie mit neu­en Augen.

Ein alter Hir­te, der sei­ne Scha­fe in der Nähe wei­de­te, bemerk­te den Wan­de­rer und lächel­te wis­send.

„Du hast die Höh­le der Ver­wand­lung gefun­den,“ sag­te er. „Nicht jeder fin­det den Weg hin­ein, und noch weni­ger fin­den den Weg hin­aus. Aber wer es tut, wird wie­der­ge­bo­ren.“

„Ist die­se Höh­le hei­lig?“ frag­te der Wan­de­rer.

Der Hir­te schmun­zel­te: „Jeder Ort kann hei­lig sein, wenn du bereit bist, dort dein altes Selbst zurück­zu­las­sen. Die wah­re Auf­er­ste­hung geschieht nicht an beson­de­ren Orten oder zu beson­de­ren Zei­ten – sie geschieht in dem Moment, in dem du dich ent­schei­dest, nicht län­ger ein Schat­ten dei­ner selbst zu sein.“

Der Wan­de­rer ver­stand. Sein Weg war noch lang, aber zum ers­ten Mal seit Jah­ren wuss­te er, in wel­che Rich­tung er gehen soll­te. Nicht nach außen, son­dern nach innen. Nicht mor­gen, son­dern heu­te.

Die Ver­wand­lung hat­te begon­nen.