Es war ein­mal eine Frau, die so erfolg­reich war,
dass man sie nur noch mit Super­la­ti­ven beschrei­ben konn­te.

Sie war die Ers­te. Die Bes­te. Die Schnells­te.

Ihr Name stand auf Gebäu­den, in Zei­tun­gen und auf Ver­trä­gen, die sie selbst kaum noch las.

Eines Mor­gens, wäh­rend sie sich schmink­te,
fiel ihr Blick auf den Spie­gel –
doch er zeig­te kein Bild.

Nur Licht.
Kla­res, blen­den­des Licht.

Sie blin­zel­te, fuhr mit der Hand über die Flä­che.
Nichts. Kein Gesicht. Kein Schat­ten. Kein Echo.

„Spin­ne ich jetzt?“, mur­mel­te sie.

Da hör­te sie eine Stim­me. Nicht laut, aber deut­lich.

„Ich zei­ge dir nichts, weil du dich selbst nicht mehr siehst.“

Die Frau lach­te ner­vös.
„Ich sehe mich doch stän­dig. In Prä­sen­ta­tio­nen. In Inter­views. Auf Social Media.“

„Das ist nicht dein Selbst. Das ist dein Abbild.
Dein Kos­tüm. Dei­ne Mar­ke.
Aber wo bist du?“

Die Frau wur­de still.

„Wer liebt dich, wenn du nichts leis­test?“
„Wer bist du, wenn du nichts beweist?“
„Wem gehörst du, wenn du allei­ne bist?“

Sie ließ den Pin­sel sin­ken. Zum ers­ten Mal seit Jah­ren schmink­te sie sich nicht zu Ende. Statt­des­sen zog sie bar­fuß einen lan­gen Man­tel über,
ging hin­aus in den Gar­ten und setz­te sich unter den alten Fei­gen­baum, den sie selbst hat­te pflan­zen las­sen – den sie aber noch nie wirk­lich ange­se­hen hat­te.

Dort saß sie.
Stun­den­lang.
Ohne Han­dy. Ohne Plan.

Und in der Stil­le geschah etwas.
Ihr Herz erin­ner­te sich an sich selbst.

Sie begann zu wei­nen.
Nicht aus Schmerz.
Son­dern aus Rück­kehr.

Am Abend sah sie wie­der in den Spie­gel.
Und da war ein Bild.

Nicht per­fekt.
Nicht gestylt.
Aber leben­dig.

Sie lächel­te. Und zum ers­ten Mal seit Jah­ren war ihr Lächeln für nie­man­den gedacht – außer für sie selbst.

Erkennt­nis:
Du kannst die Welt gewin­nen.
Aber wenn du dich selbst dabei ver­lierst, bleibt dein Spie­gel leer.

Fül­le beginnt nicht im Kalen­der, son­dern in der stills­ten Ecke dei­ner See­le.