Inmit­ten der schnee­be­deck­ten Ber­ge Tibets leb­te ein jun­ger Mönch namens Ten­zin. Sein Herz wur­de oft vom Auf und Ab der Gefüh­le über­wäl­tigt. Freu­de und Trau­er, Wut und Angst, alles kam und ging so plötz­lich, dass er kaum begrei­fen konn­te, was mit ihm geschah.

Als er eines Tages frus­triert durch die Klos­ter­gär­ten wan­der­te, begeg­ne­te er einer alten Non­ne, die in stil­ler Medi­ta­ti­on auf einem Stein saß. Sie lächel­te ihn warm­her­zig an und lud ihn ein, sich zu ihr zu set­zen. Ten­zin erzähl­te ihr von sei­nem Dilem­ma und die Non­ne hör­te ihm gedul­dig zu.

„Ten­zin“, sag­te sie schließ­lich, „dei­ne Gefüh­le sind wie Boten, die dir wich­ti­ge Nach­rich­ten über dich selbst brin­gen. Ler­ne, ihre Spra­che zu ver­ste­hen, und du wirst ein wei­ser und mit­füh­len­der Mönch sein“.

Ten­zin war fas­zi­niert. Er bat die Non­ne, ihm mehr zu erzäh­len.

Die Non­ne erklär­te, dass jedes Gefühl sei­ne eige­ne Ener­gie und Bot­schaft habe. Trau­rig­keit zum Bei­spiel sei ein Zei­chen dafür, dass etwas Wert­vol­les ver­lo­ren gegan­gen sei. Es sei wich­tig, die­ser Trau­rig­keit Raum zu geben und her­aus­zu­fin­den, was feh­le. Wut hin­ge­gen sei ein Signal dafür, dass eine Gren­ze über­schrit­ten wur­de. Man müs­se ler­nen, sei­ne Gren­zen zu erken­nen und sie mit Mit­ge­fühl zu ver­tei­di­gen.

Die alte Non­ne sprach von der Angst, die uns vor Gefah­ren war­nen wol­le, und von der Freu­de, die uns dar­an erin­nern sol­le, die Schön­heit des Lebens zu schät­zen. Sie beton­te, dass jedes Gefühl wich­tig und wert­voll sei und dass man ihnen mit Lie­be und Akzep­tanz begeg­nen müs­se.

Ten­zin hör­te gebannt zu. Zum ers­ten Mal ver­stand er, dass sei­ne Gefüh­le kei­ne Fein­de waren, son­dern Freun­de, die ihm hel­fen woll­ten, sich selbst bes­ser ken­nen zu ler­nen und ein mit­füh­len­de­res Wesen zu wer­den.

In den fol­gen­den Tagen übte Ten­zin, auf sei­ne Gefüh­le zu ach­ten. Er spür­te, wo sie sich in sei­nem Kör­per mani­fes­tier­ten und ver­such­te zu ver­ste­hen, was sie ihm sagen woll­ten. Nach und nach lern­te er, sei­ne Gefüh­le zu regu­lie­ren und sie zu nut­zen, um sein Leben und das sei­ner Mit­men­schen zu ver­bes­sern.

Eines Tages kehr­te Ten­zin in den Klos­ter­gar­ten zurück, um der alten Non­ne zu dan­ken. Aber sie war nicht mehr da. An ihrer Stel­le lag ein Stein mit der Inschrift: „Die Weis­heit dei­ner Gefüh­le liegt in dir selbst“.

Ten­zin lächel­te. Er wuss­te, dass er die Bot­schaft der alten Non­ne ver­stan­den hat­te. Von nun an wür­de er sei­nen Gefüh­len mit Dank­bar­keit und Respekt begeg­nen. Und er wuss­te, dass er dadurch ein glück­li­che­res und erfüll­te­res Leben füh­ren und ein mit­füh­len­de­rer Mönch wer­den wür­de.

Füh­ren mit Gefühl bedeu­tet, die eige­nen Emo­tio­nen und die der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter wahr­zu­neh­men, wert­zu­schät­zen und als Res­sour­ce für die gemein­sa­me Ziel­er­rei­chung zu nut­zen.