In den engen Gassen der hochsommerlich heißen Stadt Buchara irrte Nasrudin mit seinem leeren Wasserkrug durch die Menschenmenge. Vergeblich suchte er nach einem kühlen Getränk, um seine ausgedörrte Kehle zu erfrischen.
Plötzlich erblickte er einen alten Mann, der unter einem schattigen Baum saß – neben sich einen prall gefüllten Krug. Höflich trat Nasrudin näher und bat um einen Schluck Wasser.
Doch der Alte musterte ihn mit finsterer Miene. „Wasser ist kostbar in dieser Stadt“, knurrte er unwirsch. „Nur für den Weisen gibt es einen Tropfen.“
Unbeeindruckt von der mürrischen Art des Mannes lächelte Nasrudin. „Meister, stelle mir eine Frage, die nur ein Weiser beantworten kann, dann habe ich meinen Schluck verdient.“
Nach kurzem Nachdenken formulierte der Alte eine so verwirrende und komplizierte Frage, dass sich Nasrudins Stirn in tiefe Falten legte. Hilflos kratzte er sich am Kopf, murmelte vor sich hin und rang verzweifelt um eine Antwort.
Schließlich seufzte er und gestand: „Die Antwort bleibt mir verborgen, weiser Mann. Aber meine Kehle brennt vor Durst.“
Da brach der Alte in schallendes Gelächter aus. „Du bist der erste, der ehrlich zu mir war – und dafür sollst du deinen Durst stillen.“
Er reichte Nasrudin den Krug, der in tiefen Zügen trank und die erfrischende Kühle des Wassers genoss. Als der letzte Tropfen seine Kehle hinabgeflossen war, verneigte er sich vor dem Alten:
„Danke für deine Weisheit und Großzügigkeit! Eine Lektion habe ich gelernt – wahrer Durst betrifft nicht nur den Körper, sondern auch den Geist“.
Weisheit durch Demut
Und so zog Nasrudin weiter, den Krug mit Wasser gefüllt, aber das Herz voll neuer Erkenntnis: Weisheit liegt nicht in kunstvollen Antworten, sondern in der Demut, Unwissenheit zuzugeben und offen zu sein für Neues.